Schmähkritik- Die Grenzen der Kunstfreiheit

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Nathan
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Re: "Wunderbares Inzuchtsprodukt"

#21

Beitrag von Nathan » Di 10. Mai 2016, 21:31

Höllamer » 10 May 2016, 20:35 hat geschrieben:Ist diese öffentliche Einschätzung einer Person nicht ebenfalls bereits beleidigend? Sie werfen ihm, wenn auch sehr hochwichtig ausgedrückt, vor, ein Depp zu sein?
Das Wort mit dem großen N am Anfang und dem Eger dahinter ist schlecht, den aber als Depp zu bezeichnen nicht. :no:
Ja, das ist natürlich beleidigend. Aber von einer ganz anderen Qualität. Seltsam, dass man - vorsichtig ausgedrückt - sehr konservative Menschen u.a. auch daran erkennt, dass es fast unmöglich ist, ihnen den Unterschied zwischen einer ganz konkreten Beleidigung einer konkreten Person und einer völlig verallgemeinernden Beleidigung einer großen Gruppe von Menschen zu verdeutlichen. Letzteres nennt man einfach "Rassismus", weil hier völlig ungerechtfertigt nicht auf ein konkretes Individuum abgehoben, sondern im Gegenteil einer ganzen Gruppe von Menschen die Individualität abgesprochen wird und man dieser Gruppe statt dessen irgendwelche Eigenschaften andichtet um die Gruppe als solche herabzusetzen.


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Auri

Schmähkritik - Die Grenzen der Kunstfreiheit

#22

Beitrag von Auri » Mi 18. Mai 2016, 13:40

Nachdem Herr Erdogan vor Gericht den ersten Prozess gegen Herrn Böhmermann gewonnen hat wird diese Posse die Justiz noch lange beschäftigen.

Leider, denn in einer zivilisierten Gesellschaft ist diese Schmierenkomödie nur schwer erträglich. Noch schwerer wenn gar derartiges zum Volksheldentum hochstilisiert wird.
Beleidigung ist Beleiddigung und muss auch eine solche bleiben.
Egal von wem gegen wem.

Sonst kann man gleich die Löwen im Zirkus wieder loslassen.

Schade, dass man über derartiges überhaupt ein Wort verlieren muss.

PS: Neben mir liegt Tucholsky mit einer Doppelseite voller Zitate von ihm zum Wesen von Satire. Der Missbrauch von ihm was Zitate angeht lässt ihn im Grab rollieren.

Mainz (dpa) - Nach der einstweiligen Verfügung gegen Jan Böhmermann vom Dienstag ist in einem weiteren Verfahren wegen möglicher Beleidigung keine schnelle Entscheidung über eine Anklage zu erwarten.

"Eine Prognose, wann die Entscheidung über das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachtes möglich ist, kann derzeit nicht exakt angestellt werden", teilte die Staatsanwaltschaft Mainz am Mittwoch auf Anfrage mit. "Ganz kurzfristig wird dies jedoch nicht der Fall sein."

Böhmermann (35) darf nach einer Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom Dienstag große Teile seines "Schmähkritik"-Gedichts über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nicht mehr wiedergeben. Untersagt seien die schmähenden und ehrverletzenden Passagen (Az.: 324 O 255/16).

http://www.zeit.de/news/2016-05/18/medi ... n-18131206

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Zool
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Re: Schmähkritik- Die Grenzen der Kunstfreiheit

#23

Beitrag von Zool » Mi 18. Mai 2016, 14:45

Ja haben die es immer noch nicht begriffen dass er nie vorgehabt hat das zu wiederholen, es war ein Beispiel was nicht erlaubt ist.
Das er ihn nebenbei gleicht mit verar...t hat ist eine ganz andere Sache.
Genau genommen nahm er Bezug auf die Geschichte vom Extra 3 weil sich der Pascha da auch schon echauffiert hat um ihm mal unsere Welt zu erklären.
Es ist mir völlig schleierhaft wie man auf dem völligen Unsinn des Gedichts herumreiten kann, darum ging es doch nie.
Hätte ich jemals vorher gewusst was auf mich zukommt hätte ich niemals etwas angefangen.

Pustekuchen

Re: Schmähkritik - Die Grenzen der Kunstfreiheit

#24

Beitrag von Pustekuchen » Mi 18. Mai 2016, 14:58

Auri » 18 May 2016, 13:40 hat geschrieben:Nachdem Herr Erdogan vor Gericht den ersten Prozess gegen Herrn Böhmermann gewonnen hat
Herr Erdogan hat lediglich eine einstweilige Verfügung erwirkt, da fand kein Prozess statt. Über die Hauptsache wird erst in einiger Zeit ein Prozess stattfinden, Ausgang offen.

Auri

Re: Schmähkritik- Die Grenzen der Kunstfreiheit

#25

Beitrag von Auri » Mi 18. Mai 2016, 15:07

Zool. das hat das Gericht aber schon herausgearbeitet in seinem Urteil.
Harsche Kritik an einem Politiker darf kein Problem sein und ist nicht zu beanstanden.

Dennoch, zu sagen, man darf übrigens Herrn X nicht einen ...., einen ...., und einen .... nennen geht so eben auch nicht.
Abstrakt dargebracht kein Problem, aber konkret den Zusammenhang den im übrigen gewisse Kreise sich stark zu eigen gemacht haben das ist jenseits des zulässigen.

Böhmermann hat da eine rechte Welle losgetreten die kaum im Sinne der Republik sein kann, der Menschlichkeit schon gar nicht.
Bitte mal anhören was da montäglich auf Leipziger und Dresdner Marktplätzen dazu unter johlender Menge an Volksverhetzung unter Berufung auf Böhmermann zum besten gegeben wird.

Und die schlimmste Hetzerin, die Festerling ist damit auf Europatour und schwadroniert das in Paris, Amsterdam usw. und berichtet dem Franc national wie man hier mit der türkischen Invasion umgeht.

Ich habe das Gefühl viele haben noch gar nicht begriffen welche europaweite Lawine da am laufen ist und wie stark dieses Gedicht in dieser Propaganda eine ganz zentrale Rolle spielt.

Auri

Re: Schmähkritik- Die Grenzen der Kunstfreiheit

#26

Beitrag von Auri » Mi 18. Mai 2016, 15:16

ich stelle mal die wesentlichen Teile der Pressemitteilung des Landgerichts Hamburg ein.
Beachtenswert ist vor allem der mittlere Abschnitt.

Anmerkung: Das Urheberrecht greift bei Justizmitteilungen kaum,
Urteile dürften ohnehin veröffentlicht werden.
Das Langzitat ist im Gegensatz zu einem Presseartikel zulässig.


Der Entscheidung liegt eine Abwägung zwischen der Kunst- und Meinungsfreiheit einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Antragstellers zugrunde. Als Satire vermittle das angegriffene Gedicht ein Zerrbild von der Wirklichkeit, mit der sich der Antragsgegner mithilfe des Gedichts auseinandersetze. Bei dieser Kunstform, der Übertreibungen und Verzerrungen wesenseigen seien, müsse für die rechtliche Beurteilung zwischen dem Aussagegehalt und dem vom Verfasser gewählten satirischen Gewand, der Einkleidung, unterschieden werden. Zudem seien die konkrete Präsentation und der Zusammenhang zu berücksichtigen, in den das Gedicht gestellt worden sei. In Form von Satire geäußerte Kritik am Verhalten Dritter finde ihre Grenze, wo es sich um eine reine Schmähung oder eine Formalbeleidigung handele bzw. die Menschenwürde angetastet werde.


Diese Grenze sei nach Auffassung der Kammer durch bestimmte Passagen des Gedichts überschritten worden, die schmähend und ehrverletzend seien. Zwar gelte für die Einkleidung eines satirischen Beitrages ein großzügiger Maßstab, dieser berechtige aber nicht zur völligen Missachtung der Rechte des Antragstellers. Durch das Aufgreifen rassistisch einzuordnender Vorurteile und einer religiösen Verunglimpfung sowie angesichts der sexuellen Bezüge des Gedichts überschritten die fraglichen Zeilen das vom Antragsteller hinzunehmende Maß.


Die übrigen Teile setzten sich dagegen in zulässiger Weise satirisch mit aktuellen Vorgängen in der Türkei auseinander. Der Antragsgegner trage als Staatsoberhaupt politische Verantwortung und müsse sich aufgrund seines öffentlichen Wirkens selbst harsche Kritik an seiner Politik gefallen lassen. Hinzunehmen sei auch, dass der Antragsgegner sich in satirischer Form über den Umgang des Antragstellers mit der Meinungsfreiheit lustig mache.
http://justiz.hamburg.de/oberlandesgeri ... 17-olg-01/

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Re: Schmähkritik- Die Grenzen der Kunstfreiheit

#27

Beitrag von Nathan » Mi 18. Mai 2016, 15:39

Zool » 18 May 2016, 14:45 hat geschrieben:Ja haben die es immer noch nicht begriffen dass er nie vorgehabt hat das zu wiederholen, es war ein Beispiel was nicht erlaubt ist.
Das er ihn nebenbei gleicht mit verar...t hat ist eine ganz andere Sache.
Genau genommen nahm er Bezug auf die Geschichte vom Extra 3 weil sich der Pascha da auch schon echauffiert hat um ihm mal unsere Welt zu erklären.
Es ist mir völlig schleierhaft wie man auf dem völligen Unsinn des Gedichts herumreiten kann, darum ging es doch nie.
Interessant, dass du jetzt auf eine Art und Weise für Herrn Böhmermann zurückruderst die nicht mal Herr Böhmermann selbst für angemessen hält.

Jemand "Ziegen- und Kinderf..." zu nennen ist in diesem Fall außer völliger Unsinn auch eine schwere herabwürdigende Beleidigung. Ist das wirklich nicht zu verstehen?
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Re: Schmähkritik- Die Grenzen der Kunstfreiheit

#28

Beitrag von thai.fun » Mi 18. Mai 2016, 15:46

Da ist provokative Arroganz auf verletzbare Eitelkeit gestoßen.
Beides resultiert aus einer Unsicherheit heraus. Erster beißt, zweiter zurück. So entstanden schon die kleinsten Fehden bis zu den größten Kriegen. Mit psychologischer Intelligenz wäre eine Konfrontation vermeidbar. Mit Schweigen!

Aber z. B. Böhmermann unterlag dem zwang des Erfolges mit dem was er macht, und zweitens, und dass ist das Dumme, dem Gewinndenken hinter s/einer Satire. Denn Gescheite wüssten, dass verletzte Eitelkeit nicht mehr in derselben Liga spielt und deshalb gefährlich ist!

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Nathan
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Re: Schmähkritik- Die Grenzen der Kunstfreiheit

#29

Beitrag von Nathan » Mi 18. Mai 2016, 16:01

thai.fun » 18 May 2016, 15:46 hat geschrieben:Da ist provokative Arroganz auf verletzbare Eitelkeit gestoßen.
Beides resultiert aus einer Unsicherheit heraus. Erster beißt, zweiter zurück. So entstanden schon die kleinsten Fehden bis zu den größten Kriegen. Mit psychologischer Intelligenz wäre eine Konfrontation vermeidbar. Mit Schweigen!

Aber z. B. Böhmermann unterlag dem zwang des Erfolges mit dem was er macht, und zweitens, und dass ist das Dumme, dem Gewinndenken hinter s/einer Satire. Denn Gescheite wüssten, dass verletzte Eitelkeit nicht mehr in derselben Liga spielt und deshalb gefährlich ist!
Er erlag vor allem der Versuchung des billigen Beifalls, wohl wissend, dass er den Jubel der Massen würde leicht für sich reklamieren können. DAS ist der eigentliche und so primitive und der Satire so völlig gegensätzliche Charakter des Gedichtes und des "Poeten". Satire ist dort nicht erforderlich, wo die Zielperson sowieso schon allgemeine Zielscheibe ist und sich gerade nicht in unverdientem Renommee sonnen kann. Satire ist überall dort mit Vorteil einzusetzen, wo die Zielperson Kraft Ihres Amtes unangreifbar scheint und in der öffentlichen Wahrnehmung als Lichtgestalt durch die Medien wandelt.
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外国人

Re: Schmähkritik - Die Grenzen der Kunstfreiheit

#30

Beitrag von 外国人 » Mi 18. Mai 2016, 18:00

Auri » 18 May 2016, 13:40 hat geschrieben:Nachdem Herr Erdogan vor Gericht den ersten Prozess gegen Herrn Böhmermann gewonnen hat…
Erdogan hat gar nix. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, zudem hat das Gericht betont, daß sich Erdogan Satire gefallen lassen müsse. Böhmermann darf folgende Sätze über Erdogan weiterhin verbreiten (Auslassungen gekennzeichnet): "Sackdoof, feige und verklemmt, ist Erdogan, der Präsident. (...) Er ist der Mann, der Mädchen schlägt und dabei Gummimasken trägt. (...) …und Minderheiten unterdrücken, Kurden treten, Christen hauen."

Wo und was hat da Erdogan gewonnen?

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