Nathan » 31 May 2016, 16:36 hat geschrieben:Sicher. Dialektisches Betrachten eines Inhalts ist die einzig vernünftige Betrachtungsweise und natürlich darf Dialektik nicht an der Tabuisierung von Inhalten scheitern. Alles, auch der kleinste Baustein zum Thema muss durchleuchtbar sein. Hilfreich ist es besonders, wenn jemand die Position des "advocatus diaboli" einnimmt. Mir ist sehr bewusst, dass man Ihnen diese Rolle gerne unterstellt. Ich bin dazu nicht von vorne herein bereit, das so zu sehen.
Das ist aber nicht weiter wichtig. Wichtig ist mir etwas anderes:
Wenn man sich bei der dialektischen Betrachtung eines Sachinhalts offensichtlich in geistige Nähe zu einer bestehenden Ideologie begibt, die man niemals unterstützen will, so tut man sehr gut daran, sich bei aller Freiheit der Gedanken deutlich von dieser Ideologie abzugrenzen.
Ich habe dazu ein Beispiel gegeben, vielleicht ist Ihnen das aufgefallen. Sie haben jedenfalls darauf passend reagiert:
Regierungsschelte muss erlaubt sein, ja, ist in einer Demokratie ganz wichtig. Wenn man sich aber mit der eigenen Kritik in den Dunstkreis von Faschisten begibt ist es erforderlich, sich deutlich von diesen abzugrenzen, wenn man nicht selbst für einen Faschisten gehalten werden möchte, was u.a. ja nicht nur die persönliche Reputation beschädigt, sondern auch die eigene Argumentation vernichtet. Ich kritisiere die Regierung nicht mit dem Ziel, selbst die Macht an mich zu reißen um dann eine gewaltorientierte Herrschaftsform zu etablieren.
Machen Sie sich mal keine Sorgen um mich. Ich weiß sehr gut, wo ich stehe, und das macht mich frei, das zu sagen, was ich denke.
Es sind eh nur Sie und in Ihrem Gefolge noch ein guter Bekannter von Ihnen, die mich gerne ich diesen Dunstkreis rücken wollen. Sie sind da stets sehr bemüht. Nur zu, ich habe mich daran gewöhnt. Ihre Einschätzung meiner Person und meines politischen Standpunktes ist für mich irrelevant.
Sollte das Folgende ebenfalls nur Dialektik sein vermisse ich die Gegenthese schmerzlich:
1.
Nein, das wurden sie keineswegs. Christen, Juden, Hindus etc. verüben aktuell keine Terroranschläge in Europa, was nicht bedeutet, diese Zeiten hätte es nicht auch gegeben. "Im Name Allahs" impliziert schon wieder die Unterstellung, dass der Islam per se eine zur Gewalttätigkeit neigende Religion ist, im Gegensatz zu anderen Religionen. Warum aktuell Muslime für so viele Terroranschläge verantwortlich sind hat viele Gründe, die nicht im Islam selbst zu suchen sind. Die lächerliche Todfeindschaft zwischen Sunniten und Schiiten zum Beispiel hat Mohammed nicht vorgesehen.
Darum sprach ich ja auch von den
letzten großen Anschlägen in Europa. Der Islam ist nicht per se eine zur Gewalttätigkeit neigende Religion, aber er kann sehr schön dafür benutzt werden. Soviel ich weiß, wurde von den Attentätern auch immer der Name Allahs ausgerufen. Ich gehe davon aus, dass das nicht im Sinne Allahs ist, aber wann endlich distanzieren sich
die islamischen Staaten in aller Schärfe und Eindeutigkeit von diesen Attentaten? Ob der Verdacht, dass manche insgeheim den IS unterstützen, aus welchen Gründen auch immer, so falsch ist? In der Türkei jedenfalls wurden Generäle und ein oppositioneller Chefredakteur verhaftet, weil sie einen Waffentransport nach Syrien, wahrscheinlich für den IS, aufdeckten. Und dass die Saudis dem IS nicht ins Handwerk pfuschen wollen, weil sie Angst um ihren Kopf haben, ist auch nichts Neues.
2.
Ich bin sehr froh, dass sich die Geschichte aller Voraussicht nach nicht nach Ihnen, respektive dem richten wird, was Sie jemand zutrauen oder nicht. Natürlich dürfen Sie das schreiben, abenteuerliche Unterstellungen findet man schließlich wirklich überall, aber sinnvoll ist eine solche Aussage nicht. Fast könnte man das als antitürkische Hetze bezeichnen, oder nicht?
Die Geschichte wird sich aber nicht nach dem, was Ihrer Ansicht nach nicht sein darf, weil es nicht sein kann, richten. Bis jetzt hat mich - und da bin ich sicher nicht allein - Erdogan sicher nicht enttäuscht, was politische Abenteuerlichkeiten angeht. Warten wir's mal ab.
Fast könnte man es als antitürkische Hetzte bezeichen, aber ich hab ja von Erdogan gesprochen und nicht von der Türkei und
den Türken, wenngleich es mir schon Sorgen macht, dass wohl der größte Teil der türkischen Bevölkerung ziemlich unerschütterlich hinter Erdogan steht, sei es aus wirtschaftlichen oder aus (innen-/außen-) politischen Gründen, und dass ihnen eine funktionierende Opposition so gar nichts wert ist.
Ach ja, vor kurzem erst in der SZ gelesen:
Erdoğan nennt Verhütung "Betrug" an der türkischen Nation. Das erinnert mich immer mehr an etwas, was man als Deutscher gut kennt. Ab wieviel Kinder gibt's dann den Mutter-Halbmond?
Dies laufe muslimischen Tradition zuwider, sagte Erdoğan bei einer Rede in einer Bildungsstiftung in Istanbul. Man werde die Zahl der Nachfahren und die Bevölkerung vergrößern. Keine muslimische Familie könne Familienplanung und Geburtenregelung praktizieren, sagte er weiter. "Was immer unser Herr sagt, was immer unser geliebter Prophet sagt, diesem Pfad werden wir folgen."
Zuhörer applaudierten und riefen: "Wir sind stolz auf dich." Erdoğan sagte weiter: "Die wichtigste Aufgabe kommt hier den Müttern zu. (...) Deshalb küsst man die Füße der Mütter. Dort findet man den Duft des Paradieses. Dort liegt das Paradies. Nicht bei den Vätern."
Da bleibt einem doch glatt das Lachen im Halse stecken.
Ich sorge mich daher auch ein wenig um Sie, da Sie sich von diesem doch offensichtlich stramm in Richtung Autokratie und Faschismus marschierenden Herrn Erdogan nur etwas widersträubend und mit Relativierungen distanzieren. So zaghaft kenne ich Sie gar nicht, wenn es um das Faschisten-Etikett geht.