Generalstreik in Frankreich

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Generalstreik in Frankreich

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Beitrag von ede » So 29. Mai 2016, 08:45

Die französische Regierung will an ihrer umstrittenen Arbeitsmarktreform festhalten. Der Protest gegen la loi travail, wie es in Frankreich genannt wird, stürzt Frankreich teilweise in chaotische Zustände. SPON titelt
Frankreich auf den Barrikaden
Im Streit um die Reform des Arbeitsrechts hat Frankreichs größte Gewerkschaft (690.000 Mitglieder) nachgelegt. Im Gegensatz zu gemäßigten Verbänden stemmt sich die CGT, einst verlängerter Arm der Kommunistischen Partei, gegen die Liberalisierung des Arbeitsmarkts.
Sie sieht in der Erleichterung betriebsbedingter Kündigungen die Rechte der Arbeiter aufgeweicht und ihren eigenen Einfluss untergraben. "Frankreich geht es besser", hatte Präsident François Hollande unlängst bei einer TV-Diskussion mit ausgewählten Landsleuten verkündet. Jetzt freilich dreht sich nach monatelangem Kampf um die Reform des Arbeitsrechts die Stimmung. "Vor der totalen Lähmung?" fragte die Tageszeitung Le Parisien bange auf ihrer Titelseite, und zwei Drittel der Franzosen, so eine Ifop-Umfrage, befürchten für die nächsten Monate eine "soziale Explosion".
Zumal für Donnerstag, dem neunten "nationalen Protesttag" gegen die umstrittene Reform, neue Auseinandersetzungen drohen.
◾Eine Gewerkschaftsfront rund um die CGT hat erneut Kundgebungen und Streiks geplant
◾Die Eisenbahner wollen mit ihrem Ausstand etwa ein Drittel der Verbindungen lahm legen
◾Im Luftverkehr drohen Behinderungen durch die Beteiligung von Flughafenpersonal und Fluglosten
◾In Raffinerien und Tanklagern sollen Streiks und Blockaden fortgesetzt werden
Nun, das sind keine neuen Infos, aber interessant ist der von mir gefettete Absatz:
Die CGT stand einst der PCF (Kommunistische Partei Frankreichs) nahe, zu Zeiten, als diese bei den Parlamentswahlen < 20% erreichte. Das ist schon lange Vergangenheit, momentan bewegt sich die PCF bei etwa 6% und die CGT nicht mehr im Dunstkreis der PCF. Das könnte man als aufmerksamer Leser noch erahnen, wenn man das Wörtchen "einst" zur Kenntnis nimmt. Unseriös wird es dann aber, wenn Autor des Artikels so tut, als ob die CGT, mit 700.000 Mitglieder die zweitgrößte französische Gewerkschaft, die alleinige "Anstifterin" der Unruhen wäre. Das ist aber nicht so. Es haben sich nämlich sieben Syndicats (Gewerkschaften) zusammengeschlossen, um die Proteste zu organiseren.
Sept syndicats opposés au projet de loi travail, dont la CGT et FO, ont appelé leurs organisations respectives à «construire» deux nouvelles journées de grèves et manifestations les 17 et 19 mai, ont-ils annoncé ce mardi dans un communiqué à l'issue d'une intersyndicale.
La CGT, FO, FSU, Solidaires, l'Unef, l'UNL et Fidl vont également adresser un courrier «au Président de la République pour être reçues rapidement».
Darunter die Force Ouvrière (FO) als drittgrößte mit 500.000 Mitgliedern. Offiziell nicht teil an den Protestaktionen nimmt die CFDT, mit 800.000 die größte der Gewerkschaften. Sie stand einst der sozialistischen Partei nahe, ist aber mittlerweile "unabhängig" und unterstützte deshalb vor 20 Jahren den konservativen Premierminister Juppé, als dieser ebenso heiß umkämpfte Reformen des Sozialstaates gegen alle Widerstände durchzog (das kennen wir ja auch von der Agenda 2010).
Es ist nicht mehr abzuleugnen, dass der Begriff Reform, ursprünglich positiv konnotiert (Duden: planmäßige Neuordnung, Umgestaltung, Verbesserung des Bestehenden ) in der neoliberalen Ära eine Bedeutungsveränderung hin zum Schlechten erlebt hat, nämlich Verschlechterung der bestehenden Zustände für die Arbeitnehmer. Kritische Ökonomen bezeichnen neoliberale "Reformen" als "Marktfundamentalismus".
Schließen möchte ich mit einem kleinen Soro-Zitat aus Wikipedia, Stichwort "Marktfundamentalismus":
Der Ausdruck Marktfundamentalismus wurde durch George Soros popularisiert, aber schon vorher von Jonathan Benthall verwendet.[2] Laut Soros sind Marktfundamentalisten Menschen, die „glauben, dass Märkte ein Gleichgewicht anstreben und dass dem Allgemeinwohl am besten gedient ist, wenn man den Teilnehmern erlaubt, ihre Eigeninteressen zu verfolgen.“[3] Zur Bedeutung in der globalisierten Ökonomie schreibt Soros: „Der Marktfundamentalismus ist inzwischen so mächtig, dass alle politischen Kräfte, die sich ihm zu widersetzen wagen, kurzerhand als sentimental, unlogisch oder naiv gebrandmarkt werden.“[4]
Schönen Sonntag.



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