Drittes Geschlecht oder kein Geschlecht - Verfassungsbeschwerde Intersexueller

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Auri

Drittes Geschlecht oder kein Geschlecht - Verfassungsbeschwerde Intersexueller

#1

Beitrag von Auri » Sa 3. Sep 2016, 11:06

Logisch ist die derzeitige Rechtslage nicht gerade.
Wenn Betroffene verlangen können, dass ihr Geschlecht aus den Registern gestrichen wird dann sollte es doch auch möglich sein dafür etwas anderes eintragen zu lassen.
Statt männlich und weiblich eben andere oder divers. Wenn schon denn schon.

Der BGH hatte Anfang August entschieden, Intersexuelle könnten nach dem geltenden Recht nur beanspruchen, dass Geschlechtsangaben im Register gelöscht werden und dort keine weitere Eintragung erfolgt. Sie könnten aber nicht verlangen, dass ihr Geschlecht im Geburtenregister stattdessen mit "inter" oder "divers" eingetragen wird. Zur Begründung hatte der BGH angeführt, dass der Staat für intersexuelle Menschen mit einer Gesetzesänderung 2013 zwar die Möglichkeit geschaffen habe, von einer Eintragung des Geschlechts im Geburtenregister abzusehen oder diese löschen zu lassen. Doch damit sei kein weiteres Geschlecht wie etwa "inter" geschaffen worden. Es gebe deshalb zudem auch keine Grundrechtsverletzung.


Eine Verfassungsbeschwerde ist die letzte verbleibende Möglichkeit des unterlegenen Klägers und seiner Unterstützer, die Forderung durchzusetzen. Jedem Bürger steht die Möglichkeit offen, bei vermuteten Verstößen gegen seine Grundrechte durch öffentliche Stellen eine solche Beschwerde auf den Weg zu bringen. Das Verfassungsgericht kann sie aber ablehnen.

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... htseintrag



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SLR
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Re: Drittes Geschlecht oder kein Geschlecht - Verfassungsbeschwerde Intersexueller

#2

Beitrag von SLR » Sa 3. Sep 2016, 11:23

Also ich könnte mir vorstellen, dass die Gesetzesänderung von 2013 es zunächst mal gut meinte. Betroffenen sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, im Geburtenregister nicht mehr mit einem Geschlecht vermerkt zu sein, dem sie sich nicht zugehörig fühlen. Hätte der Gesetzgeber aber in seiner üblichen Gründlichkeit darauf bestanden, näher zu klassifizieren, was denn dieser Mensch aber nun tatsächlich ist, wäre das gewiss auch wieder als diskriminierend aufgefasst worden. Es wollen gewiss nicht alle 'anders' oder 'unbekannt' in amtlichen Büchern stehen haben. Trotzdem hätte der Gesetzgeber diese Möglichkeit einräumen sollen, für diejenigen, die das für sich für wichtig halten.

Der BGH sieht keine Grundrechtsverletzung? Wie steht es mit Art. 1 der Menschenwürde? Allen anderen wird ein Geschlecht attestiert nur weil man noch nicht so recht mir diesen irritierenden Abweichungen umgehen kann ist jemand, der einen falschen Eintrag gelöscht haben will, völlig ohne?

Da warten wir mal auf ein Urteil des BVerfG.
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Banshee
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Re: Drittes Geschlecht oder kein Geschlecht - Verfassungsbeschwerde Intersexueller

#3

Beitrag von Banshee » Sa 3. Sep 2016, 11:34

Auri hat geschrieben:Logisch ist die derzeitige Rechtslage nicht gerade.
Ich finde sie sehr schlüssig und überzeugend. Man bedenke, was an Rechtsfolgen entstünden, wenn man "inter" oder "divers" amtlich attestieren würde! Wären z.B. Gasthäuser, Fluglinien usw. gezwungen, Toiletten für "inter" zu schaffen?
SLR deutete es ja schon an, dass man sich diskriminiert fühlen könnte, wenn man als "inter" auf die Herrentoilette gehen müsste.

Jeder, ob mit Zipfelchen oder Muschi oder irgendwas dazwischen, kann seine Geschlechtszugehörigkeit austragen lassen. Es gibt dann keine (offizielle) Zuordnung mehr. Mehr können die vglw. wenigen Inter- bzw. Diverssexuellen m.E. nicht verlangen, denn die Rechtsfolgen wären unübersehbar.

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SLR
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Re: Drittes Geschlecht oder kein Geschlecht - Verfassungsbeschwerde Intersexueller

#4

Beitrag von SLR » Sa 3. Sep 2016, 11:56

Banshee » 03 Sep 2016, 11:34 hat geschrieben:Ich finde sie sehr schlüssig und überzeugend. Man bedenke, was an Rechtsfolgen entstünden, wenn man "inter" oder "divers" amtlich attestieren würde! Wären z.B. Gasthäuser, Fluglinien usw. gezwungen, Toiletten für "inter" zu schaffen?
SLR deutete es ja schon an, dass man sich diskriminiert fühlen könnte, wenn man als "inter" auf die Herrentoilette gehen müsste.

Jeder, ob mit Zipfelchen oder Muschi oder irgendwas dazwischen, kann seine Geschlechtszugehörigkeit austragen lassen. Es gibt dann keine (offizielle) Zuordnung mehr. Mehr können die vglw. wenigen Inter- bzw. Diverssexuellen m.E. nicht verlangen, denn die Rechtsfolgen wären unübersehbar.
Der Einwand ist zwar ein guter, aber ob der gegen die Menschenwürde anstinken können wird? :D

Man hat für die vergleichsweise wenig Behinderten auch alles umgebaut, damit diese nicht diskriminiert (überhaupt erst behindert im eigentlichen Wortsinn) werden.

In Mering erstreiten sich Eltern gerade einen Treppenlift für ihr im Rollstuhl sitzendes Kind, obwohl eine barrierefreie Schule in der Nähe wäre. In dem Fall ist eine Schulsprengelbefreiung, die sonst gerne mal gewünscht ist, seltsamerweise gar kein Thema.
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