Ehre? Welche Ehre??

Interessantes über Religionen und Philosophie
bbuchsky
Beiträge: 1824
Registriert: Mi 9. Sep 2015, 17:58

Ehre? Welche Ehre??

#1

Beitrag von bbuchsky » So 17. Apr 2016, 07:53

Aus gegebenem türkischen Anlaß halte ich es für notwendig, einmal grundsätzlich über einen Begriff zu diskutieren, der für mich nicht mehr ist als ein dummes Wort, für andere aber Anlaß bietet, ihre Töchter zu ermorden, Kriege anzuzetteln, "Blasphemie!" zu brüllen oder ähnliches.

Ehre ist nichts weiter als ein Wort, die neuzeitliche Entsprechung der Beulenpest, eine Fiktion, deshalb war ich so frei, die Debatte in den Bereich "Religion-Philosophie" zu platzieren. Hier gehts nicht um Dingliches.

Wie der Patriotismus ist die Ehre eine Ersatz für fassbare Talente und verwertbare Fähigkeiten, es scheint geradezu, als würden diejenigen, die ihre "Ehre" am vehementesten verteidigen, über gar keine verfügen.
Der Patriotismus ist der dauerbesoffene Schwippschwager jener "Ehre", die weder Hintergrund noch Inhalt hat, und trotzdem eine akute Gefahr ausstrahlt.

Ich bitte es nicht falsch zu verstehen, "Ehre" ist durchaus existent, etwa wenn der Starke sich gleichstarke Gegner sucht, statt sich an Schwächeren auszulassen, oder wenn derjenige mit der überlegenen Bewaffnung darauf verzichtet, diese gegen den schlechter ausgerüsteten Gegner einzusetzen.

Der türkische "Ehrbegriff", darauf wollte ich natürlich hinaus, scheint eine pathologische Selbstverherrlichung zu sein, die ihre Entsprechung in der Wortkreation "Ehrenmord" findet. Allerdings scheint den Türken nicht klar zu sein, dass sie mit dieser Schande ihre "Ehre" ermordet haben, und mir fällt es schwer, jemandem etwas anzutragen, was er nicht verdient hat.
Zur Beleidigung des Kalifen gab es inzwischen lange Debatten in Talk-Schows, bei der Frau Maischberger fiel mir ein Erdogan-Jünger auf, der ernsthaft behauptete, Böhmermann habe das türkische Volk enteehrt.

Die Türken haben ihre Ehre schon bei den Armeniern und Kurden verloren, so wie wir unsere im 2.WK gelassen haben. Wenn sich die "türkische Ehre" von dem Status ihres Herrschers ableitet, werden die sich an den Zustand umfassender Ehrlosigkeit noch gewöhnen können.
Wir haben unsere in Teilen wiedererlangt, indem wir und mit unserer ehrlosen Vergangenheit beschäftigt haben, eine Reinigung, die bei den Türken bisher ausblieb.



forest

Re: Ehre? Welche Ehre??

#2

Beitrag von forest » So 17. Apr 2016, 09:24

Habe die Ehre (Sie begrüßen zu dürfen), bbuchsky! Im bayrischen und österreichischen Sprachgebrauch kurz: Hobadieähre.
Nicht besonders ehrenvoll ist es, Wiki zu zitieren, aber es hilft.
Der einschlägige Titel steht dort unter Beobachtung (Dieser Artikel wurde auf der Qualitätssicherungsseite des Portals Soziologie eingetragen..).
Am Schluß wird es interessant:
Die Systematik bzw. der Aufbau des StGB spiegelt den früheren Stellenwert der Ehre in der Gesellschaft wider: Ehrenangelegenheiten waren zu Zeiten der Kodifizierung des Strafrechts wichtiger als z. B. Körperverletzung, Beleidigung, üble Nachrede etc. und kamen vor Totschlag.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ehre

Benutzeravatar
Zool
Beiträge: 329
Registriert: Sa 12. Sep 2015, 07:54
Wohnort: zwischen den Nachbarn

Re: Ehre? Welche Ehre??

#3

Beitrag von Zool » So 17. Apr 2016, 09:43

bbuchsky » 17 Apr 2016, 07:53 hat geschrieben:.
Der Patriotismus ist der dauerbesoffene Schwippschwager jener "Ehre", die weder Hintergrund noch Inhalt hat, und trotzdem eine akute Gefahr ausstrahlt.
:lach:

Tja, einerseits zwar mit einem Smartphone umgehen können aber andererseits den geistigen Weg ins Heute einfach nicht hinbekommen.

So wie die Moral oft der Heiligenschein der Scheinheiligen ist ist die Ehre etwas was nicht einverlangt werden kann sondern von anderen wegen Verhalten verliehen wird, geradeso wie Autorität von unten nach oben freiwillig und nicht von oben nach unten per Dekret vergeben sondern anerkannt wird.
Manch zeitlich noch arg rückständiger hat damit natürlich so seine Probleme es sollte auch seines bleiben, außer man gibt ihm die Macht es fälschlicher weise einfordern können.
Auch solche Mangelbehafteten gibt es leider zu hauf, auch bei den im Heute angekommen. :roll:
Hätte ich jemals vorher gewusst was auf mich zukommt hätte ich niemals etwas angefangen.

bbuchsky
Beiträge: 1824
Registriert: Mi 9. Sep 2015, 17:58

Re: Ehre? Welche Ehre??

#4

Beitrag von bbuchsky » So 17. Apr 2016, 12:43

forest » 17 Apr 2016, 09:24 hat geschrieben:Habe die Ehre (Sie begrüßen zu dürfen), bbuchsky! Im bayrischen und österreichischen Sprachgebrauch kurz: Hobadieähre.
Nicht besonders ehrenvoll ist es, Wiki zu zitieren, aber es hilft.
Der einschlägige Titel steht dort unter Beobachtung (Dieser Artikel wurde auf der Qualitätssicherungsseite des Portals Soziologie eingetragen..).
Am Schluß wird es interessant:
Die Systematik bzw. der Aufbau des StGB spiegelt den früheren Stellenwert der Ehre in der Gesellschaft wider: Ehrenangelegenheiten waren zu Zeiten der Kodifizierung des Strafrechts wichtiger als z. B. Körperverletzung, Beleidigung, üble Nachrede etc. und kamen vor Totschlag.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ehre
Behalten Sie ihre Ehre, mein lieber forest.
Insbesondere der von Ihnen vorgetragene Besitzanspruch innerhalb einer Grußformel wirkt wie eine Verleihung des Ritterkreuzes mit Schwertern und Brillanten in der eigenen Besenkammer.
Keiner weiß, woher der selbst angehängte Orden kommt, und im Moment der Erwähnung beginnt die behauptete Ehre zu verdunsten.
Ist derjenige, der von sich behauptet eine Ehre zu "haben", also zu "besitzen", wirklich so wenig überzeugt davon, dass seine Behauptung realistisch ist, dass er es bei jeder Gelegenheit betonen muss?

Bei der Maischberger-Debatte zu Böhmermann hätte ich das Bedürfniss nicht unterdrücken können, dem beleidigten Erdogan-Propagandisten konkrete Fragen zu seinem Verhältnis zum Thema "Ehrenmord" zu stellen.
Wieviel Ehre kann ein "Volk" beanspruchen, dass die Sitte pflegt, angeblich missratene Kinder zu ermorden?
Der Knabe hatte das Gemüt eines kleinen Mädchens, ebenso wie sein Auftraggeber. Wer sich ob einer ehrabschneidenden Beleidigung zu Mord und Totschlag hinreißen läßt, KANN weder Würde noch Ehre für sich beanspruchen!

Im nächsten Tread gedenke ich über eure "Würde" herzufallen........

Wie würdevoll verhält sich derjenige, der Erzeugnisse aus Kinderarbeit handelt, verkauft oder kauft?

Wie ehrenhaft ist es, die Zustände zu ignorieren, unter denen sich Leute wie der Eigentümer von Zara endlos bereichern? Kann jemand Ehre oder Würde haben, der Sklaven ausnutzt?

forest

Re: Ehre? Welche Ehre??

#5

Beitrag von forest » So 17. Apr 2016, 13:35

bbuchsky » 17 Apr 2016, 12:43 hat geschrieben: Im nächsten Tread gedenke ich über eure "Würde" herzufallen........
Der Wiki-Link gibt auch dazu etwas her:
Rechtliche Situation in Deutschland
Das Grundgesetz (Art. 1) nennt nur den gegenüber der Ehre fundamentaleren Begriff der Würde. Einige Sonderregelungen des Art. 61 GG betreffend die Anklage des Bundespräsidenten schützen – ungeachtet seiner etwaigen Verfehlungen – die Ehre der Bundesrepublik. ‚Ehre‘ und ‚Würde‘ sind dabei keineswegs gleichzusetzen. So war bis 1969 noch der Begriff der Verlust der Bürgerlichen Ehrenrechte eine übliche Nebenfolge bei der Verurteilung aufgrund schwerer Straftaten. Das Gesetz gestattete somit den Entzug von Ehrenrechten als Rechtsfolge eines Ehrverlustes, wogegen die Würde aufgrund Art. 1 GG „unantastbar“ ist, also niemals und unter keinen Umständen einem Menschen genommen werden darf.
Andere Bezugnahmen in Wiki:
Ehre im Nationalsozialismus
Ehre in der islamischen Familie
Ehre in der Türkei

Philosophie (dort auch Kohls Ehrenwort in der CDU-Spendenaffäre)
https://de.wikipedia.org/wiki/Ehre

bbuchsky
Beiträge: 1824
Registriert: Mi 9. Sep 2015, 17:58

Re: Ehre? Welche Ehre??

#6

Beitrag von bbuchsky » So 17. Apr 2016, 14:37

Dem Wiki-Niveau sind wir doch längst entwachsen, oder?

Mit Blick auf Erdowahn kann man doch feststellen, dass er durch die Bemühungen, seine nicht unbedingt vorhandene Ehre zu verteidigen, auch noch seine Würde eingebüßt hat.

Der Kardinalfehler der Formulierung des Artikel 1 GG ist schon festgestellt worden.
Erstens hätte man sich dringend auf die Würde innerhalb unseres Territoriums beschränken müssen, um sich der Verantwortung für die Würde jenseits der Grenzen zu entziehen, zweitens wird seit der Schröder-Fischer-Regierung die Würde nur noch den vermögenden Bürgern gewährt, drittens ist durch die schamlose Anbiederungen der aktuellen Regierungsparteien an die AfD/NPD-Positionen durch die faktische Zerstörung des Asylrechts deren Würde nachhaltig verrrrnichtet worrrden.

Ehre, wem Ehre gebührt.

Benutzeravatar
Nathan
Beiträge: 3954
Registriert: Di 10. Nov 2015, 20:11
Wohnort: München

Re: Ehre? Welche Ehre??

#7

Beitrag von Nathan » So 17. Apr 2016, 17:02

Nein, das ist kein Fug, Herr bbuchsky, das ist reiner Unfug, allein schon die Fokussierung auf die Türkei, die von allen muslimischen Völkern die mot Abstand modernste ist. Ihre Ausflüge auf das Feld der Ehre sollten Sie dringend besser planen. Einfach so ins Blaue hinein ist hübsch aber nur dann wenn man kein Ziel hat. Sie haben aber ein Ziel, nämlich bestimmte Missstände anzuprangern, was nur dann ehrenvoll wäre, wenn Sie auch zielgerichtet vorgehen würden. Dazu müssten Sie viel genauer analysieren, woher denn welche Ehrbegriffe kommen, welchen kulturhistorischen Hintergründe sie haben, welche Entwicklungen sie gemacht haben, welchen Gültigkeitsbereich sie heute haben und, ganz besonders wichtig, sie müssten diesen Ehrbegriff dem anderer Völker gegenüberstellen. Mit einem kurzen "Wuff" werden Sie diesem hochkomplexen Thema nicht gerecht.

"Würde" ist ein sehr viel geeigneteres Thema, ein sehr viel grundsätzlicheres Thema aus dem Bereich des Naturrechts. Jeder zivilisatorische Denkansatz hängt an diesem Begriff und dennoch wird "die Würde des Menschen" global mit Füßen getreten, praktisch überall auf der Welt. Darüber lohnt es sich nachzudenken und ohne Hochmut und Selbstgefälligkeit sich zu überlegen ob man punktuell über menschliche "Ehre" sprechen kann, wenn die "Würde des Menschen" grundsätzlich überall missachtet wird.
Der größte geistige Freiraum ist der Raum zwischen den Stühlen

bbuchsky
Beiträge: 1824
Registriert: Mi 9. Sep 2015, 17:58

Re: Ehre? Welche Ehre??

#8

Beitrag von bbuchsky » So 17. Apr 2016, 17:39

Die Fokussierung auf die Türkei hat einen konkreten Hintergrund, Schnellmerker!

Zudem hege ich nicht (mehr) den Anspruch, die Welt zu verbessern, mir reicht es, Denkanstöße zu liefern.
Der Status des "Beleidigtseins" von Erdowahn entspringt ja keiner körperlichen Verletzung, ersieht seine Majestät nicht ausreichend gewürdigt. Ein Mann, der Kinder vor Gericht bringt oder gleich bombardieren läßt.
Wieviel kränkbare Ehre kann in einem derart verkommenen Subjekt schon stecken?

Wie es zur Bildung der unterschiedlichen Ehrbegriffe kam, sollen Anthropologen klären, wenn sie es nicht schon versucht haben.
Mir geht es im Hintergrund darum, einen Ehrbegriff zu isolieren, der das Töten von Kindern rechtfertigt, und diesem Begriff die "Ehre" zu nehmen.
Der Polizeischutz, den Böhmermann inzwischen benötigt, um fanatisiere Ehrenbürger davon abzuhalten, durch das Ermorden des Unwürdigen zu noch mehr Ehre zu gelangen, entlarvt genau die "Ehre", gegen die ich mich stelle.
Das kann auch nicht dadurch relativiert werden, dass andere Schlimmeres machen, vor dieser Argumentation haben Sie ihren Ekel schon ausgedrückt.

Benutzeravatar
Nathan
Beiträge: 3954
Registriert: Di 10. Nov 2015, 20:11
Wohnort: München

Re: Ehre? Welche Ehre??

#9

Beitrag von Nathan » So 17. Apr 2016, 17:47

bbuchsky » 17 Apr 2016, 17:39 hat geschrieben:Die Fokussierung auf die Türkei hat einen konkreten Hintergrund, Schnellmerker!

Zudem hege ich nicht (mehr) den Anspruch, die Welt zu verbessern, mir reicht es, Denkanstöße zu liefern.
Der Status des "Beleidigtseins" von Erdowahn entspringt ja keiner körperlichen Verletzung, ersieht seine Majestät nicht ausreichend gewürdigt. Ein Mann, der Kinder vor Gericht bringt oder gleich bombardieren läßt.
Wieviel kränkbare Ehre kann in einem derart verkommenen Subjekt schon stecken?

Wie es zur Bildung der unterschiedlichen Ehrbegriffe kam, sollen Anthropologen klären, wenn sie es nicht schon versucht haben.
Mir geht es im Hintergrund darum, einen Ehrbegriff zu isolieren, der das Töten von Kindern rechtfertigt, und diesem Begriff die "Ehre" zu nehmen.
Der Polizeischutz, den Böhmermann inzwischen benötigt, um fanatisiere Ehrenbürger davon abzuhalten, durch das Ermorden des Unwürdigen zu noch mehr Ehre zu gelangen, entlarvt genau die "Ehre", gegen die ich mich stelle.
Das kann auch nicht dadurch relativiert werden, dass andere Schlimmeres machen, vor dieser Argumentation haben Sie ihren Ekel schon ausgedrückt.
Mag ja sein, dass ein reicher Muselmann sich an den Prinz-Bernhard-Schleusen vorgedrängt hat und Ihnen nur noch Heck und Halbmond zeigte, was sie dann wieder zwei Stunden Wartezeit gekostet haben mag, jaja, einen solchen Ärger kann ich ja verstehen, aber Sie sollten nicht so kleinlich sein, darunter ein ganzes Volk für alle Ewigkeit leiden zu lassen!

Es gibt in der Türkei keinen Ehrbegriff, der das Töten von Kindern rechtfertigt. Es gibt in Deutschland keinen Ehrbegriff, der das Ermorden von Türken rechtfertigt und dennoch finden Sie Türken und Deutsche, die ihren eigenen kranken Ehrbegriff definieren und danach handeln.

Gottlob sind diese Verrückten in der Minderheit, sonst gäbe es in der Türkei nur noch zwangsverheiratete oder tote Mädchen und bei uns keine Türken mehr.
Der größte geistige Freiraum ist der Raum zwischen den Stühlen

bbuchsky
Beiträge: 1824
Registriert: Mi 9. Sep 2015, 17:58

Re: Ehre? Welche Ehre??

#10

Beitrag von bbuchsky » Mo 18. Apr 2016, 08:44

Komisch.
Wieso fliehen die Mörder ihrer Ehefrauen, Töchter oder Schwestern dann nicht selten in die Türkei?
Weil es da bessere Verstecke gibt? Wohl kaum.
http://www.welt.de/vermischtes/article1 ... aates.html
Insgesamt haben die Tötungen "ehrenhalber" unter der AKP zugenommen.
Man ist wohl ehrenvoller geworden.....

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 10 Gäste